Berlin / Bis 1939

Hans Helfritz nahm bei dem Schreker-Schüler Paul Höffer Privatunterricht, bis er 1926 in die Hochschule für Musik in Berlin aufgenommen wurde. Von 1926-29 studierte Hans Helfritz dort Kontrabass, Komposition und Musikethnologie und spielte unter Franz Schreker im Hochschulorchester.

Seine Lehrer waren unter anderem Curt Sachs, Heinz Tiessen, Egon Petri, Max Butting und Paul Hindemith, bei dem er einen Kurs im Rahmen der Rundfunkversuchsstelle belegte.

Erste Erfolge stellten sich ein, darunter die Aufführung des Concertino für Cembalo mit kleinem Orchester (1930) und die Ballettmusik Der Kreuzzug der Maschinen an der Berliner Volksbühne am Bülowplatz in der Choreographie von Vera Skoronel (1930, verschollen).

Nach dieser ersten intensiven Schaffensperiode verdrängten die Reiseaktivität und das Bücherschreiben seine Kompositionsarbeit.

Vier Klavierstücke, 1925

Tanztruppe Skoronel, Foto: Suse Byk, Berlin, 1920er Jahre

„Die Musikszene während der Kriegsjahre war in Santiago damals durchaus nicht provinziell. Wir hatten bedeutende Dirigenten wie Victor Tevah, Erich Kleiber und Fritz Busch. Dann kamen berühmte Solisten aus dem Ausland: Iturbi, damals noch als Pianist, Arthur Rubinstein gab Konzerte, und später nach dem Kriege war Walter Gieseking einer der ersten, der großen Erfolg in Santiago hatte.“

Hans Helfritz mit dem Musikkritiker Domingo Santacruz und Dirigent Hermann Scherchen in Santiago

Exil / 1939-1945

Als Helfritz 1939 nach Chile ins Exil ging, leitete dies die zweite und vielleicht kreativste Kompositionsphase seines Lebens ein. Nur bestand die Tragödie der deutschen Musik im Exil darin, dass der ihr förderliche Kontext fehlte. Santiago de Chile zwischen 1939 und 1959 war nicht das Berlin der 1920er Jahre. Eine Kontinuität zur Berliner Zeit herzustellen war auch für Hans Helfritz kaum möglich.

Die fremde Umgebung inspirierte den Komponisten zu originellen Werken. In Südamerika notierte er Weisen, die später in seinem Werk Anwendung fanden. Er sammelte pentatonische Melodien von Indio-Stämmen in Bolivien und Peru, und schrieb mit diesem Material einen 14 Stücke umfassenden Klavierzyklus, den er unter dem Titel Aru Amunyas veröffentlichte.

Aru Amunyas, Nr. 4 Chunchitos, 1943

In Chile begegnete Hans Helfritz vielen Musikern, darunter der Dirigent Hermann Scherchen, der sich für sein Werk einsetzte und das Konzert für Tenorsaxophon und Orchester und das Konzert für Orgel und Streichorchester in seinem Musikverlag Ars Viva veröffentlichte.

Chile / 1945-1959

Helfritz lernte in Santiago den jungen chilenischen Komponisten Juan Allende-Blin und den deutschen Organisten Gerd Zacher kennen, der von 1954-1957 an der deutschen Kirche in Santiago tätig war. Für Zacher entstanden verschiedene Orgelstücke: Fünf Spielstücke für Orgel (1965), Fünf Stücke für Orgel (1977) und Tres composiciónes für Orgel (1985).

Erst nach dem Krieg und nachdem er 1948 chilenischer Staatsbürger geworden war, konnte Hans Helfritz Kontakte zur Musikwelt Chiles knüpfen. Die Uraufführung seines Concertino für Klavier und Orchester (Anfang November 1947, Santiago de Chile) war ein Erfolg, doch bedeutete das Konzert für Tenorsaxophon und Orchester (UA 1948) den wirklichen Durchbruch des Komponisten in Chile. Er erhielt beim Musikfestival Extensión Musical in Santiago de Chile dafür den ersten Preis. Die Kompositionen aus dieser Zeit wurden immer wieder von der Volksmusik der Andenvölker inspiriert, darunter Aru Amunyas, Musica folklorica de Bolivia (1940), in der er Indiomelodien für das Klavier bearbeitete.

Die Musiksprache von Hans Helfritz übernahm schon früh Züge der Groupe des Six, vor allem die der französischen Komponisten Darius Milhaud und Francis Poulenc.

Konzert für Tenorsaxophon und Orchester, 1. Satz, Aufnahme der UA, Santiago de Chile 1948

Gerd Zacher und Juan Allende-Blin

China klagt für Singstimme und Klavier. Sechs Lieder nach altchinesichen Dichtungen aus dem Schi-King und von Pe-Lo-Thien: II. Wir sind nicht reif, 1947

Hans Helfritz auf Ibiza in den 1990er

Zurück in Europa / 1959-1995

Da Hans Helfritz der Anschluss an die deutsche Musikwelt nicht mehr gelang, konzentrierte er sich mehr auf seine Reisetätigkeit, Bücher und Vorträge und komponierte nur noch gelegentlich. Jetzt vor allem für befreundete Musiker wie das Prager Duo, das er auf einer Vortragsreise kennengelernt hatte und das Stück Balearische Impressionen für Xylophon und Klavier (1979) widmete.

Als eine der letzten Kompositionen entstand in Sant Agustí auf Ibiza die temperamentvolle Schlagzeugsuite Vier Fantastische Impressionen aus Mittelamerika für Schlagzeug (1990), die vom WDR-Fernsehen aufgezeichnet wurde. Auch in diesem Alterswerk griff der Komponist nochmals auf Erinnerungen an südamerikanische Rhythmen zurück.

Die Werke von Hans Helfritz sind kommerziell nie verlegt worden. Aber es gibt Konzertmitschnitte aus Chile und der Nachkriegszeit in Europa und Rundfunkaufnahmen deutscher Sender. Im Juni 1995 veröffentlichte Hans Helfritz privat eine CD mit einer Werkauswahl. Viele seiner Kompositionen blieben unaufgeführt. Die Partituren befinden sich im Hans-Helfritz-Archiv der Akademie der Künste in Berlin.

Filmkomponist

Für die Dokumentarfilme, die Hans Helfritz für die Ufa-Kulturfilmabteilung drehte (sechs sind erhalten), komponierte er teilweise auch die Musik. Musikalische und tänzerische Bräuche wurden in jedem Film ausführlich thematisiert und sorgfältig mit passender Musik unterlegt. Fern von jeder epigonenhaften pseudosymphonischen Musik, wie sie für viele in der NS-Zeit gedrehten Kulturfilme typisch war, fand Hans Helfritz zu einer eigenen Klangsprache durch die Verwendung der Musik der jeweiligen Kultur.

Helfritz zog – wie in seinem Film über Mexiko – eine klare Instrumentierung und kleine Orchesterbesetzung vor. Für den Film über Guatemala hatte er Melodien und die für das Land typischen Rhythmen gesammelt und notiert. Bei seiner Rückfahrt lernte er auf dem Schiff Marimbaspieler aus Guatemala kennen und engagierte sie nach Berlin, um dort mit ihnen seine Filmmusik aufzunehmen.

Filmmusik zum Ufa-Kulturfilm Guatemala, 1938

Beispiel einer Aufnahme auf Wachswalze von Hans Helfritz, zw. 1930-33

Musikethnologe

Hans Helfritz, der Kurse in vergleichender Musikwissenschaft bei Professor Erich von Hornbostel belegt hatte, reiste 1930 durch Palästina, Ägypten, Syrien und Mesopotamien und brachte von dort Fotos und Tonaufnahmen für das Berliner Phonogramm-Archiv zurück. Darunter Hirtengesänge, Brautlieder und instrumentale Musik der Beduinen.

Prof. von Hornbostel regte eine weitere Reise an, die zur wichtigsten seines Lebens werden sollte. Im Hadramaut und dem damaligen Königreich Jemen sollte Helfritz Beduinengesänge aufnehmen, von denen es damals noch keinerlei Aufnahmen gab. Die auf Wachswalzen aufgenommene Musik wurde durch Prof. v. Hornbostel und Robert Lachmann ausgewertet, die ihre Erkenntnisse in dem Aufsatz Asiatische Parallelen zur Berbermusik im Jahre 1933 veröffentlicht haben. Sie wiesen Parallelen zwischen der Musik Südarabiens und der der Berber Nordafrikas nach. Diese Aufnahmen waren der bedeutendste Beitrag von Hans Helfritz auf dem Gebiet der Musikethnologie.

Was er an Musik in Mittel- und Südamerika sammelte diente nicht der Wissenschaft, sondern als Grundlage für seine Filmmusik und Kompositionen wie dem Klavierzyklus Aru Amunyas.

Nur einmal noch war Hans Helfritz als Musikethnologe tätig, als er in den 1960er Jahren Äthiopien besuchte und Musik für eine Schallplatte aufnahm (Harmonia Mundi, HM 1715).

Zu Einzelwerken

  • Musik für den tänzerischen Unterricht, 1933
  • Concertino für Klavier und Orchester, 1940
  • Aru Amunyas, 1943
  • Konzert für Tenorsaxophon und Orchester, 1948
  • Fünf Orgelstücke, 1977
  • Fantastische Impressionen aus Mittelamerika für Schlagzeug, 1993

Musik für den tänzerischen Unterricht
für Klavier, 1933 / Nr. 1, 5, 8, 6, 9

Concertino für Klavier und Orchester
1940

Aru Amunyas
für Klavier, 1943 / Nr. 1, 2, 4, 8, 11, 12

Konzert für Tenorsaxophon und Orchester
1. – 3. Satz / Aufnahme der UA, Santiago de Chile 1948

Fünf Orgelstücke
1977

Fantastische Impressionen aus Mittelamerika für Schlagzeug
1. – 4. Satz, 1990 / UA 1993